Moscheen und ihre Verantwortung in Europa

Januar 31, 2007

Moscheen nehmen, ohne Zweifel, im Leben eines Muslims eine herausragende Rolle ein. Besonders in einer mehrheitlich nicht-muslimischen Umgebung stellen sie ein Stück geistiger „Heimat“ und selbstbewusster Integration dar, umso betrüblicher, dass dem Bau von Moscheen in Europa fast immer mit ablehnenden Bürgerinitiativen begegnet wird.

Moscheen sind weder Rekrutierungszentren für Terroristen, auch wenn Massenmedien dies in regelmäßigen Abständen zu vermitteln suchen, noch sind sie Erfüllungsgehilfen staatlicher Sicherheitsorgane, auch wenn manche Politiker das wünschen.
Moscheen existieren aber auch genau in diesem Spannungsfeld und dieses Spannungsfeld sollte von Verantwortlichen in den Moscheen als positive Herausforderung verstanden werden.

Zurzeit erleben Muslime in Europa, die regelmäßig eine Moschee zum gemeinschaftlichen Freitagsgebet aufsuchen, dass viele Prediger sich aktueller politischer Themen nicht annehmen, sich sozusagen einer Realität verweigern, weil sie befürchten vom Verfassungsschutzorganen behelligt werden zu können, oder aber sich der Realität in der Form einer extremen Reaktion annehmen, die nicht nur ungesetzlich, sondern auch unislamisch (!) ist.

Muslime sind, angesichts des öffentlichen Umganges mit ihnen größtenteils verschreckt, und diese Verängstigung erschwert Muslimen im Gegenzug den Umgang und die Auseinandersetzung mit Themen unserer Zeit.

Die Stärkung des Intellekts ist in der Tat eine originär islamische Aufgabe, aller aktueller Verzerrungen zum Trotz. Hier geht es nicht um die Suche eines Mittelweges zwischen Esoterik und Ideologie, auch nicht um „political correctness“, da diese Erscheinungen einem schnelllebigen Zeitgeist unterliegen, sondern es muss nach einer „Islamic Correctness“, nach einer Islamischen bzw. Muslimischen Aufrichtigkeit gesucht werden.

Diese „Islamische Aufrichtigkeit“ setzt voraus, dass in der Sprache des Aufenthaltsortes, Ton und Vokabular gefunden werden, die Muslimen den kritischen, selbstbewussten Umgang mit Fragen der Zeit ermöglichen.

An diesem Punkt versagen die meisten Moscheen. Wenige Prediger in Europa sehen sich in der Lage, das Land indem sie leben als „ihr“ Land anzunehmen, geschweige denn auf existierende politische und gesellschaftliche Sensibilitäten, auch im Bezug auf den Konflikt im Nahen Osten, Rücksicht zu nehmen, und auf diese in angemessener Weise und in der jeweiligen Landessprache (!) einzugehen.

Weder der Rückzug ins Private noch das Aufspringen auf den Zug des Extremismus, weder eine Existenz in Abschottung bar jeder Bezugnahme zur Realität noch die unqualifizierte Auseinandersetzung mit politischen Fehlentwicklungen, werden Muslimisches Leben hier in Europa in Normalität möglich machen.

Nur die (selbst-)kritische Loyalität nach Innen, in den Muslimischen Teil der Gesellschaft hinein, wie auch nach Außen in den mehrheitlich nichtmuslimischen Teil der Gesellschaft hinein, werden Muslimischen Positionen als konstruktiven Beitrag im gesamtgesellschaftlichen Interesse Gehör verschaffen.

Eine auf anerkannte Islamische Lehrpositionen basierende nach Innen gerichtete Selbstkritik, die sich jenseits ethnischer Affinitäten der politischen und gesellschaftlichen Sachverhalte annimmt, wird erzieherisch wirken können, wird Sprach- und Kritikvermögen entwickeln können, und wird schlussendlich in die Mehrheitsgesellschaft hineinwirken können.

Erste Schritte in diese Richtung, auch hinsichtlich einer Sprachentwicklung, die in der Lage ist Fachbegriffe des Islam korrekt zu artikulieren, wären

  • das Angebot einer Predigt in der jeweiligen Landessprache einmal im Monat in jeder Moschee, nicht als Reaktion auf dumpfe Forderungen aus bestimmten politischen Ecken, sondern als Angebot an eine neue Generation von Muslimen, die sich nur bedingt in der Sprache ihrer Eltern heimisch fühlen.
  • das selbstverständliche Angebot einer professionellen Übersetzung von Freitagspredigten in die jeweilige Landessprache.
  • das reguläre Angebot eines Gesprächskreises an Wochenenden, um Themen der Zeit in der jeweiligen Landessprache zu diskutieren.

Die Ratlosigkeit vieler Muslime angesichts des öffentlichen und politischen Umganges mit ihnen und dem Islam drückt sich auch in einer Sprachlosigkeit von Muslimen aus. Viele Muslime in Europa haben sich einer Art verbaler Legasthenie ergeben, diese Artikulationsschwäche muss abgebaut werden und auch an diesem Punkt haben viele Moscheen große Versäumnisse aufzuweisen, die rasch aufgearbeitet werden müssen.

Die Verantwortlichen in den Moscheen müssen begreifen, dass nach mehr als 40 Jahren der stetig wachsenden muslimischen Präsenz in Europäischen Union, ihre Einrichtungen mehr anzubieten haben als Pflege der „heimatlichen“ Kultur, wenn sie junge, in Europa sozialisierte und beheimatete Muslime erreichen wollen. Europa ist für Muslime und den Islam ebenso Heimat, wie jeder andere Ort dieser Welt auch, denn keine der abrahamitischen Religionen ist geographischen Grenzen unterworfen. Schwerpunktregionen ja, Aus-Grenzungen nein!

Moscheen sind in der Tradition des Islams Orte der Lehre, der Auseinandersetzung, der Freude, der Trauer, der Zusammenkunft und noch vieles anderes mehr.

Moscheen müssen gerade hier in Europa für Muslime die außerhalb der so genannten „Muslimischen Welt“ Halt suchen, einen Ankerplatz darstellen, aber dazu gehört, dass man den Ort an dem man sich befindet, auch als Heimathafen versteht.

Moscheen müssen sich für eine „Islamische Aufrichtigkeit „ einsetzen, und zwar mit aller Konsequenz, getreu dem Gedanken im Islam zuhause zu sein und in der Welt daheim, in Zeiten der Globalisierung eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die mit einem neuzeitlichen Verständigkeit von „Ummah“, der Gemeinschaft der Verantwortlichen(!) Gläubigen, gut in Einklang zu bringen ist.

Moscheen müssen nicht nur durch ihre „Mihrab“ den Muslimen die Gebetsrichtung aufzeigen, sondern auch die „Mimbar“ konstruktiv, beherzt und mutig nutzen, um Muslimen im Leben in der europäischen Heimat eine Richtschnur zu geben. Ein pluralistischer, demokratisch organisierter Rechtsstaat hält dies nicht nur aus, er stellt auch Muslimen den Artikulationsraum zur freien Verfügung.

Moscheen sollten diesen Freiraum im Eigeninteresse der Muslime und im Interesse der Gesellschaft in der sie leben leidenschaftlich nutzen!


Warum keine Freude aufkommt! – Zum Tode Saddam Husseins

Januar 1, 2007

„Glanz und Ehren mit Hochmut gepaart, ziehen sich selbst ins Verderben“. Lao-tse

Am 30.12.2006 wurde Saddam Hussein der frühere Präsident des Iraks hingerichtet.

Vorausgegangen war ein Prozess, dessen Ausgang bereits am ersten Prozesstag feststand.

Dem Prozess war ein äußerst fragwürdiger Krieg vorausgegangen, der bis heute kein Ende gefunden hat.

Dem Krieg war eine monatelange politische Farce vorausgegangen, die die Lüge zum zentralen und vielerorts hoffähigen Bestandteil von Globalpolitik gemacht hat.

Mit der Hinrichtung von Saddam Hussein wird die gegenwärtige US-amerikanische Regierung das Kapitel Irak nicht schließen können, denn der Irak entzieht sich ihrer Kontrolle. Offiziell hat das Bush-Abenteuer im Irak bis zum 31.12.2006, 3000 amerikanischen Militärangehörigen das Leben gekostet und die Verluste werden nicht mit dem Ende des Jahres 2006 aufhören. Von den mittlerweile über 650.000 irakischen Opfern, die dieser unsinnige Krieg bislang gekostet hat, ganz zu schweigen.

Eine vollendete Mission sieht anders aus!

Den Rest des Beitrags lesen »